Gärten


Text von Stefanie Kreuzer

Bei der Serie der Gärten von Julia Kernbach handelt es sich weder um den Versuch Herrschaftsgärten in ihrem bestehenden Istzustand abzubilden, noch darum eine konsequente Auflistung unterschiedlichster Naturkategorien – wie beispielsweise Wasserwege etc. – oder aller Gärten Europas zu erstellen. Im Gegenteil, die Orte bleiben in ihrer zum Teil extremen Ausschnitthaftigkeit anonym und auch die Titel der Bilder geben keinen entscheidenden Hinweis auf ihre konkrete Lokalisierbarkeit. Diese erscheint der Künstlerin im Hinblick auf ihre künstlerische Intention unerheblich, zumal sie die Bilder auch nicht persönlich vor Ort aufnimmt, sondern als visuelles Ausgangsmedium Bücher über Gartenarchitektur wählt. Die von ihr verwendeten Vorlagen entstammen den 1970er beziehungsweise 1980er Jahren, was sich an der bestimmten, diese Jahre prägenden Farbigkeit ablesen lässt.
Die Bildidee von Julia Kernbach orientiert sich nicht an den realen Bedingungen des existierenden Gartens, sondern ganz im Gegenteil wird hierzu die im engen Ausschnitt ausgewählte, inszenierte Natur in einem gewissen Sinne aus ihrem Umfeld, aus ihrer gewohnten Umgebung herausgenommen. Indem die Natur damit der konkreten, realen Sphäre – fast möchte man sagen des „Irdischen“ – enthoben wird, stilisiert sie die Künstlerin zu einem Idealbild.
Im Entstehungsprozess der Bilder liest sich dies wie folgt. Der vom Menschen geschaffene Garten ist bereits durch den kulturellen Eingriff in die Natur zu einer geformten Natur geworden und damit seiner Ursprünglichkeit beraubt. Es handelt sich auch ganz bewusst um einen herrschaftlichen Garten, der einen zu repräsentativen Zwecken inszenierten Darstellungsraum gesellschaftlicher und politischer Macht darstellt. Auch wenn der Garten in der Idee der Gartenbauer dem Lustwandeln oder der Erquickung der Sinne dienen sollte, so ist doch zur Entstehungszeit dieser Gärten der Zutritt zu ihnen nur wenigen erlaubt. Aufgrund dieser historischen Konnotation wird er auch zu einem politischen Raum, einem Demonstrationsraum von Zugehörigkeit zu oder Ausgeschlossenheit einer gesellschaftlichen Schicht.
Julia Kernbachs Gartenausschnitte sind menschenleer und im übertragenen Sinne in ihrer oftmals sehr engen Ausschnitthaftigkeit auch für den Betrachter nur schwer betretbar. Im Ausschnitt sieht die Künstlerin ein Kriterium von Unübersehbarkeit angelegt, das sie bereits in den Vorlagen ihrer Bücher wieder findet. Hat sie eine Abbildung ausgewählt, so stellt sie zunächst ein Repro des ganzen Fotos her und erst danach trifft sie, in einem weiteren Schritt, die Entscheidung über den letztendlichen Ausschnitt. Je nach Größe oder Ausschnitthaftigkeit der Vorlage entsteht dann ein Bild, das ganz bewusst durch die von der Vorlage bedingte deutlich sichtbare Rasterung des Drucks seine Künstlichkeit hervorhebt. So wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf formale Kriterien, welche das Bild bestimmen, gelenkt. Unterstützt wird dies durch die Entscheidung der Künstlerin einerseits nur sehr wenig Architektur in Form von Gebäuden in ihre Auswahl einzubringen und andererseits sehr oft auch auf die Miteinbeziehung des Himmels zu verzichten. Ohne den Himmel wird der Bildausschnitt enger und das Bild der Tendenz nach abstrakter. Durch diese künstlerische Strategie kippt die Dreidimensionalität, das heißt die Räumlichkeit des Bildes immer wieder in die Zweidimensionalität, in die Fläche um. Dergestalt werden die zunächst räumlich gelesenen Gehwege, Beete und Wasserwege wie beispielsweise auf dem „Seerosenbild“ dann zu flächigen mit- oder gegeneinanderlaufenden Farbstreifen, die das Bild in eine abstrakte Konstruktion einschließen.
Die strikte Verankerung des Bildes in der abstrakten Komposition bewirkt auf inhaltlicher Ebene gleichzeitig auch eine Reflexion über den dargestellten Moment des Bildes, den die Künstlerin als „perfekte oder stille Zeit“ beschreibt. Der „eingefrorene“ oder „entrückte“ Moment, in dem nichts Alltägliches passiert, forciert die Interpretation im Hinblick auf die Künstlichkeit des Abbildes. Unterstrichen wird dies noch durch einen alle Arbeiten umgebenden 7 cm weißen Rand, der das Präsentiert-Sein noch einmal forciert.
Glänzend, hinter Plexiglas werden die Arbeiten als Idealbild vorgestellt, in das sich eine doppelte Zeitverschiebung einschreibt. Das Jahrhundert der Entstehung des Garten sowie das Jahrzehnt, indem das Foto für das Buch aufgenommen wurde, beziehungsweise die erneute Aufnahme durch die Künstlerin verschieben die zeitliche Verortung zu Gunsten einer überzeitlichen Reflexion über Darstellungskriterien und provozieren damit ein visuelles Nachdenken über formale Kompositionskriterien.